1. Allgemein
2. Heute in Altena
3. Geschichte
4. Namenskunde
"Brachtenbecke" ist ein geographischer Begriff für ein Tal im Nordwesten von Altena.
Auf der nach Südost abfallenden Seite des Papenbergs, also zwischen Tiergarten und Knerling fließt der Brachtenbecker Bach. Er gab dem Tal seinen Namen.
Hier befindet sich ein uralter Handelsweg und, neben Nette, Rahmede und Linscheider Bach, die Wiege der heimischen Drahtindustrie.
Heute haben sich in der Brachtenbecke einige Dienstleistungsbetriebe sowie Mehr- und Einfamilienhäuser angesiedelt. Als letzter Industriebetrieb in der Brachtenbecke schloss die Firma Borbet 1993 ihre Pforten.
Innerhalb der FWG gehört dieses Tal zum 2. Zug der Kompanie Kelleramt.
850 n.C.
Vermutlich um das Jahr 850 begann man in Altena mit dem Erzabbau und der Verhüttung in Rennfeuern. Vermutlich zum Schutz der aufkeimenden Industrie wurde auch die Burg Altena errichtet, deren erstmalige urkundliche Erwähnung in das Jahr 1122 fällt.
14. Jahrhundert
Die im 13. und 14. Jahrhundert aufkommende Verwendung der Wasserkraft zum Antrieb für den Blasebalg am Hochofen und am Schmiedefeuer, dann auch des Hammerwerks und der Ziehbank, zwang die bis dahin auf den Bergen arbeitenden Hüttenleute, Schmiede und Drahtzieher, sich an die Wasserläufe in den Tälern zu begeben und dort auch ihre Wohnungssiedlungen anzulegen.
Das selbst hergestellte Eisens (sog. Osemund) wurde so mit Hilfe der Wasserkraft zu Draht. Ein begehrter und wertvoller Rohstoff, nicht nur in der damaligen Rüstungsindustrie.
Eine blühende Drahtindustrie war die Folge und zahlreiche Drahtzüge, sogenannte Rollen, entstanden an den Nebenflüssen der Lenne, an Nette, Rahmede, Linscheider Bach und Brachtenbecke.
1367
Im Freiheitsbrief legte Graf Engelbert III. 1367 legte die Grenzen der Freiheit Altena fest. So wird formuliert, dass die Freiheit so weit reicht, wie die Häuser um Altena gebaut sind „um die Burg herum und darin“. Mit dem Freiheitsbrief setzt er auch den Gerichtsbezirk für Altena fest, der innerhalb der Freiheit zwischen der (Steinernen) Brücke bis zum Linscheider Bach und bis zum Halse reichte. Der Opperhusen, aber auch Hünengraben, Brachtenbecke, Knerling und Pragpaul lagen also außerhalb der Freiheit und gehörten somit zum Kelleramt.
1689
Noch heute sind die Spuren des Erzabbaus in der Brachtenbecke erkennbar. Hier sei besonders auf die ehemalige „Drahtzieherei“ Hamelsrolle, Brachtenbecker Weg 112, hingewiesen.
Laut dehndrohchronologischer Untersuchung wurde diese 1689 erbaut. Schriftlich wurde sie erstmals 1738 erwähnt und 1845 zu einem Wohnhaus umgebaut.
Das oberschlächtige Wasserrad blieb erhalten und diente einer Kettenschmiede zum Antrieb von Rollfässern, in denen Ketten gereinigt wurden.
1719
Im Guts- und Familienarchiv der Familie von Carlowitz finden sich Aufzeichnungen aus den Jahren 1719 / 1720 über eine Wiese in der Brachtenbecke.
Dabei geht es um einen Rechtsstreit zwischen dem Bürgermeister Rütger Henrich Wychgel und der Witwe Johann von Lent als Rechtsnachfolgerin des Juden Samson Jacobs.
1738
Die Regierung in Cleve wollte wissen, was sich in der Altenaer Industrie tat. Daraufhin wurde eine Aufstellung der Drahtrollen und Mühlen in Altena angefertigt und am 27.11.1738 nach Cleve geschickt. In der Brachtenbecke gab es damals, von der Knerling-Rolle angefangen, bis zur Obersten Rolle 13 Drahtmühlen (=Drahtrollen) und eine Ölmühle.
Auffällig in der Zeichnung des unbekannten Künstlers ist das Iserlohner Tor.
1907
Vereinigung der Gemeinden Wiblingwerde und Kelleramt zur Großgemeinde Nachrodt-Wiblingwerde. Die beiden Gemeinden hatten zusammen 3.718 Einwohner.
1908
Eingemeindung der Ortsteile Knerling, Hünengraben, Pragpaul (teilweise) und des Restteils der Brachtenbecke nach Altena.
Das Leben in der Brachtenbecke in den 1950er - 1970er Jahren
Klaus Möscheid beschreibt in seinem Buch „Wie wir wurden was wir sind“ aus dem Jahre 2013 das Leben in der Zeit vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg.
Ab Seite 129 schreibt er detailiert das Leben an Knerling, Brachtenbecke und Tiergarten. Alle Gaststätten, Industriebetriebe, Läden und Vereine finden Erwähnung und werden liebevoll beschrieben. Hier geht es zur Leseprobe...
Brachtenbecke setzt sich aus den beiden Wortteilen „Bracht“ und „Becke“ zusammen.
Bracht / Brachten
Zieht man Wikipedia als Quelle heran, so erfährt man, dass Bracht ein Toponym ist, das in Siedlungs- und Flurnamen vorkommt. Die Siedlungsnamen sind im westlichen Sauerland und im Bergischen Land häufiger vertreten, kommen aber im Westen bis nach Flandern vor. Die wesentlich häufigeren Flurnamen reichen deutlich über dieses Verbreitungskerngebiet hinaus.
Bracht ist spätestens seit dem 9. Jahrhundert zur Benennung von Siedlungen verwendet worden. Beispiele sind Velbert (875: Feldbrahti), Gummersbach (1109: Gummeresbracht) oder Plettenberg (um 1070: Plettonbrath, 1187: de Plettenbraht). Die genaue Herkunft und Bedeutung des Wortes ist jedoch unklar. Es geht wahrscheinlich auf ein germanisches Wort brahti- oder brahtjō zurück, dessen Bedeutung nicht gesichert erklärt werden kann.
Das althochdeutsche / altsächsische braht (maskulinum; Lärm, Geschrei), neuhochdeutsch Pracht (Lärm, Geschrei, Prunk) wird allgemein nicht als Grundlage für die Benennung angenommen. Andere Erklärungsversuche sind Gestrüpp, Dickicht (zu Brake), Brache, ruhender Acker oder eine Entlehnung aus den lateinischen fracta (Bruchstück), das eine Nebenbedeutung Berg haben soll.
Gerd Klimpel übersetzt das Wort "Bracht" auf seiner Internetseite (www.klimpelsjunge.jimdo.com) hingegen mit "Brache, unbestelltes Land, Ödland".
Becke
Der zweite Wortbestandteil ist Becke. Laut Wikipedia steht Becke für „Gewässer“. Das Wort ist eine mittelniederdeutsche Bezeichnung für „Bach“ (auch Bäke, Beke, Beek, Beeke).
Brachtenbecke
Der Wortursprung kann als nicht genau geklärt werden. Eventuell könnte Brachtenbecke für "lautes Gewässer" stehen, es könnte aber auch "Gewässer in einem Ödland" bedeuten.
Für den Erklärungsversuch können wir aber auch einen noch größeren Bogen spannen, denn viele Flurnamen von gegenüberliegenden oder benachbarten Topographien stehen in einem Zusammenhang:
Gegenüber der Brachtenbecke befindet sich die Ebene Pragpaul am Lenneufer. Im Jahre 1595 hieß die dortige Gegend "Prachtpoll", 1768 "Brach Paul". Auf die Ähnlichkeit der Wortteile „Bracht“, "Brach" und „Pracht“ ist hier sicher nicht weiter einzugehen.
„Paul“ ist lateinischen Ursprungs und heißt "klein" oder „gering“. Im Niederdeutschen steht es auch für Sumpf oder eine Geländevertiefung, in der sich Wasser gesammelt hat.
Folgt man also der oben genannten These, könnte der Pragpaul u.a. ein Gelände mit kleinem oder geringen Gestrüpp und Dickicht gewesen sein. Sicherlich ist das ein naheliegender Name für das flache Überschwemmungsgebiet der Lenne, unterhalb des steilen Wixberges.
Hier stünde der Wortteil "Prag / Pracht / Bracht" also nachvollziehbar für Gestrüpp und Dickicht.
Demnach wäre die gegenüberliegende Brachtenbecke ein Bachlauf mit viel Gestrüpp und Dickicht.
Wer schon mal den Brachtenbecker Weg befahren hat, kann sich dieser These sicherlich nicht entziehen. Erst recht nicht, wenn man zur Gegenprobe die anderen Erklärungsversuche heranzieht und zu dem Schluss kommen könnte, dass die unberechenbare Lenne am Pragpaul „geringeren Lärm“ machte, als der „lärmende Bach“ in der Brachtenbecke!? Aber wer weiß...?
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Christian Klimpel / 2020; Mailto: christian.klimpel@gmx.de
Quellen:
- Wilhelm Simons; Altena und seine Schützen; 1967
- Stadtarchiv der Stadt Altena
- Kreisarchiv Märkischer Kreis
- www.wikipedia.de
- Klaus Möscheid; Wie wie wurden was wir sind; 2013
- www.klimpelsjunge.jimdo.com