1. Allgemein
2. Heute in Altena
3. Geschichte
4. Namenskunde
"Pragpaul" ist ein geographischer Begriff für ein Ebene im Nordwesten von Altena. Die Ebene befindet sich zwischen Wixberg und Lenne, also gegenüber von Tiergarten und Knerling. Das nahegelegene Wohngebiet am Fuße des Wixbergs ist nach dieser Ebene benannt worden.
Die Ebene des Pragpauls ist heute über eine Lennebrücke vom Hünengraben aus erreichbar. Auf dieser Ebene befindet sich heute u.a. die Sportanlage Pragpaul mit dem Reinecke-Stadion und der Sauerlandhalle. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite verläuft die Ruhr-Siegstrecke der Bahn über eine zweite Brücke, zwischen Hünengraben-Tunnel und Pragpaul-Tunnel. Über die Straße "Am Pragpaul" gelangt man zum Lager des städtischen Bauhofes und im Weiteren, durch eine Gleisunterführung, zur Kläranlage des Ruhrverbandes sowie zu ein paar Privathäusern.
Folgt man der Straße von der Brücke aus jedoch bergwärts, gelangt man in die Wohnsiedlung Pragpaul. Sie steigt an der Südwestseite des Wixbergs hinauf und hat vier Straßen:
Gebaut wurde die Siedlung zwischen 1961 und 1965 praktisch aus dem Nichts. Es entstanden 43 Häuser mit 258 Wohnungen und ein paar Privathäusern. Bauherr war die Altenaer gemeinnützige Baugesellschaft und eine Handvoll Privatleute.
Innerhalb der FWG gehört der Pragpaul zum 2. Zug der Kompanie Kelleramt.
Im Freiheitsbrief legte Graf Engelbert III. 1367 legte die Grenzen der Freiheit Altena fest. So wird formuliert, dass die Freiheit so weit reicht, wie die Häuser um Altena gebaut sind „um die Burg herum und darin“. Mit dem Freiheitsbrief setzt er auch den Gerichtsbezirk für Altena fest, der innerhalb der Freiheit zwischen der (Steinernen) Brücke bis zum Linscheider Bach und bis zum Halse reichte. Der Hünengraben, Brachtenbecke, Knerling und Pragpaul lagen also außerhalb der Freiheit und gehörten somit zum Kelleramt.
Eine Landkarte von 1595 zeigte den "Prachtpoll" in der Gemeinde Kelleramt im Amt Altena. Dieser Ortsteil war von der Freiheit aus betrachtet nur über den Kleff am Linscheider Bach zu erreichen. Die Schützen zogen am Tag vor dem Schützenfest zum "Prachtpoll", um dort für die Zehrung in der Lenne zu fischen.
Im Jahre 1768 entstand die erste überlieferte "Straßenkarte" von Altena, angefertigt aus der Vogelperspektive. Auf ihr ist auch die Bauernschaft am Pragpaul mit vier Gebäuden erkennbar. Die Zuwegung nach Altena führte immer noch über den Kleff bzw. Linscheider Bach, also um den ganzen Hünengraben herum.
1860 wurde die Ruhr-Sieg-Strecke und damit auch die Eisenbahnbrücke zwischen Tiergarten bzw. Hünengraben und Pragpaul in Betrieb genommen.
Um 1911 entstand eine Fotografie der Bauerschaft am Pragpaul, die auch als Lithografie herausgegeben wurde. Von Altena aus war diese Bauernschaft nur über den Kleff zu erreichen. Auf der Lithografie ist erkennbar, dass die Bauersleute mit einem Kahn über die Lenne setzen, um den Weg zu den allgemeinen Verkehrswegen, z.B. an der Bahnhofstraße, erheblich abzukürzen.
Die Vereinigung der Gemeinden Wiblingwerde und Kelleramt zur Großgemeinde Nachrodt-Wiblingwerde erfolgte am 01. April 1907. Die beiden Gemeinden hatten zusammen 3.718 Einwohner.
Am 23. April 1908 erfolgte die Eingemeindung der Ortsteile Knerling, Hünengraben, Pragpaul (0,74 km2) und des Restteils der Brachtenbecke nach Altena.
Zum Zwecke der Schuttabladung von der Freiherrlich von Reiswitz’schen Gutsverwaltung pachtete die Stadt Altena 1911 ein etwa 13 Morgen grosses Grundstück am Fusse des Wixberges auf 30 Jahre. Um dieses Grundstück zugängig zu machen, musste oberhalb der Eisenbahnbrücke bei Pragpaul eine Fahrbrücke über die Lenne errichtet werden. Die Fertigstellung der Brücke erfolgte am 19.03.1912.
1923 weihte der VfB seinen Sportplatzes mit Aschebelag am Pragpaul ein. Aufgrund der Inflation verlor der VfB sein Kapital und die Stadt Altena erwarb den Sportplatz Pragpaul im Jahre 1925. Neben dem Sportplatz entstand ein Lager für den städtischen Bauhof.
1929 / 1930 erwarb der Ruhrverband ein Grundstück bei der Bauernschaft am Pragpaul und begann mit dem Bau einer Kläranlage, die 1933 mit zwei Klärteichen in Betrieb ging.
1932 / 1933 wurde die Kläranlage am Pragpaul eingedeicht.
1934 wurde die Knerling-Siedlung an die Kläranlage angeschlossen.
1937 kam es erneut zu einer Verschiebung der Ortsgrenze zwischen Nachrodt-Wiblingwerde und Altena. Seitdem gehört der komplette Pragpaul zu Altena.
Am Morgen des 15.4.1945 wurden die Brücken in Altena von der deutschen Wehrmacht gesprengt.
Kurze Zeit später marschierten die amerikanischen Soldaten in Altena ein.
Am 24.4.1945 explodierte am Pragpaul ein Eisenbahnwaggon.
1946 wurden die Trümmer aus der Lenne geborgen und 1947 konnte die Fahrbrücke wieder benutzt werden.
Der Zuzug von Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten erforderte in Altena die Schaffung von neuem Wohnraum. So wuchs unter anderem die Siedlung Pragpaul praktisch aus dem Nichts. Zwischen 1961 und 1965 errichtete die Altenaer Baugesellschaft dort 43 Häuser mit mit 258 Wohnungen. Hinzu kamen einige Privathäuser.
1962 wurde die Siedlung Pragpaul an die Klärteiche angeschlossen.
Im Auftrag der Stadt Altena entwarf der Architekt Horst Pirags einen Entwurf für eine neue Sporthalle am Pragpaul. 1971 wurde die "Sauerlandhalle" schließlich eingeweiht und ihrem Zweck übergeben.
1977 wurde das Reinecke-Stadion und 1983 das Schulstadion (sog. Ascheplatz) fertiggestellt.
Ebenfalls 1983 nahm die völlig umgestaltete Kläranlage am Pragpaul ihren Betrieb auf.
Mit dem Ausbau der Siedlung und des Sportstadions sowie der wachsenden Motorisierung wurde die alte Lennebrücke für Fußgänger und Fahrzeuge den Anforderungen, die man mittlerweile an sie stellte, nicht mehr gerecht. Sie wurde 1992 durch eine moderne, großzügig gestaltete Brücke ersetzt.
"Pragpaul" setzt sich aus den beiden Worteilen „Prag“ und „Paul“ zusammen. Zur Deutung des Namens muss man wissen, dass diese Ebene an der Lenne 1595 noch "Prachtpoll" genannt wurde, 1768 "Brach Paul".
Pracht / Brach
Der Wortteil "Pracht" geht wahrscheinlich auf das Toponym "Bracht" zurück.
Zieht man Wikipedia als Quelle heran, so erfährt man, dass das Wort "Bracht" häufig in Siedlungs- und Flurnamen vorkommt. Die Siedlungsnamen sind im westlichen Sauerland und im Bergischen Land häufiger vertreten, kommen aber im Westen bis nach Flandern vor.
Als Flurnamen kommt Bracht noch häufiger vor und reicht deutlich über dieses Verbreitungskerngebiet hinaus. Bracht ist spätestens seit dem 9. Jahrhundert zur Benennung von Siedlungen verwendet worden. Beispiele sind Velbert (875: Feldbrahti), Gummersbach (1109: Gummeresbracht) oder Plettenberg (um 1070: Plettonbrath, 1187: de Plettenbraht).
Die genaue Herkunft und Bedeutung des Wortes Bracht ist jedoch unklar. Es geht wahrscheinlich auf ein germanisches Wort brahti- oder brahtjō zurück, dessen Bedeutung nicht gesichert erklärt werden kann.
Das althochdeutsche/altsächsische braht (maskulinum; Lärm, Geschrei), neuhochdeutsch Pracht (Lärm, Geschrei, Prunk) wird allgemein nicht als Grundlage für die Benennung angenommen. Andere Erklärungsversuche sind Gestrüpp, Dickicht (zu Brake), Brache, ruhender Acker oder eine Entlehnung aus den lateinischen fracta (Bruchstück), das eine Nebenbedeutung Berg haben soll.
Paul
Der Wortteil „Paul“ ist lateinischen Ursprungs und heißt "klein" oder „gering“. Im Niederdeutschen steht es auch für Sumpf oder eine Geländevertiefung, in der sich Wasser gesammelt hat.
Pragpaul
Das zusammengesetzte Wort "Pragpaul" könnte also „Geringer Lärm“ oder „kleines Gebüsch“ bedeuten, auch „Sumpfgebüsch“ ist für die Ebene am Ufer der unberechenbaren Lenne nicht abwegig.
Meine These
Viele Flurnamen von gegenüberliegenden oder benachbarten Topographien stehen in einem Zusammenhang. Gegenüber dem Pragpaul befindet sich das Bachtal „Brachtenbecke“. Auf die Ähnlichkeit der Wortteile „Bracht“ und „Pracht“ ist hier sicher nicht weiter einzugehen. Übrigens: „Becke“ ist eine mittelniederdeutsche Bezeichnung für „Bach“.
Folgt man also der oben genannten These, könnte die "Brachtenbecke" u.a. ein lärmender Bach gewesen sein oder ein Bachlauf mit viel Gestrüpp und Dickicht. Sicherlich verursacht auch der Bachlauf einige Geräusche, doch können die in Nähe der unberechenbaren Lenne wohl kaum als Lärm gelten. Hier stünde der Wortteil "Prag / Pracht / Bracht" also nachvollziehbar für Gestrüpp und Dickicht.
Demnach wäre der gegenüberliegende Pragpaul im Überschwemmungsgebiet der Lenne ein Ort mit kleinem Gebüsch bzw. Sumpfgebüsch.
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Christian Klimpel / 2020; Mailto: christian.klimpel@gmx.de
Quellen:
- Archiv der FWG
- Wilhelm Simons; Altena und seine Schützen; 1967
- Stadtarchiv Stadt Altena
- Chronik der Stadt Altena
- Kreisarchiv MK
- www.wikipedia.de